Aufzeichnungen aus meinem Leben – Wend Ewest

Anschließend an den “Lebenslauf der Familie Ewest” aufgeschrieben von meiner Schwester Frieda Hilgendorff

Unsere Eltern waren: Paul E W E S T, geb. 23.9.1862 in Groß-Behnitz-Kreis Westhavelland/Mark und Margarete Lambeck, geb.8.9.1863 in Gurske/bei Thorn/Westpreußen, Pfarrhaus. Sie heirateten beide 1889,Vater übernahm die Verwaltung von Rittergut Zackenzin, Kreis Lauenburg/Pommern, welches einem Herrn v. Braunschweig gehörte. Dort wurden meine Schwestern: Frieda, Erna, Margarete (genannt Dete) geboren. Ca.1896 kaufte mein Vater das Gut Schönehr, Kreis Lauenburg, wo die 4. Tochter Ilse (v.Wittke) geboren wurde. Danach dann 4 Söhne: Heinz-Hermann 1899, Hans-Harald 1900, ich-Wend am 6.3.1902 und Paul-Werner 1903. In Schönehr wohnten dann auch die Eltern meines Vaters. Er hatte sie zu sich genommen. Als Vater Schönehr später wieder verkaufte, zogen die Großeltern nach dem Ostseebad Leba, wo sie auch starben. Beerdigt sind sie auf dem kleinen Privatfriedhof im Park von Zackenzin. An Schönehr habe ich kaum Erinnerungen, denn 1905 kaufte mein Vater Zackenzin von Herrn v. Braunschweig, nachdem er Schönehr verkauft hatte. Der alte Braunschweig bot das Gut Vater billig an, er hatte wohl keine Lust mehr, er meinte: Sie kennen Ja das Gut genau und werden hier schon fertig werden. Kaum waren wir in Zackenzin, brannte das Wohnhaus ab. Meine Eltern wohnten dann zunächst in einer Notunterkunft im Pferdestall. Mein Vater kaufte dann das Rittergut Bychow, auch rund 4000 Morgen, wohin wir Jungens dann kamen. Die Schwestern waren zu dieser Zeit schon in Danzig in der Schule, in Pension. Ehe wir 3 nach Bychow kamen, wurden wir Jungens (der Älteste Heinz-Hermann war klein in Schönehr gestorben) zu Wittkes nach Prebendow, Nachbar von Zackenzin gegeben. Wir machten mit dem jüngeren Bruder von Onkel Curt, Herbert viel Dummheiten. Banden dem Hund eine Mausefalle an den Schwanz und der rannte und klapperte damit die Treppen rauf und runter. Der Vater von Onkel Curt und Herbert ging mit uns kleinen Bengels an seinen Schrank und nahm eine Flasche Schnaps heraus und sagte: „Jungens, ich werde euch mal einen Schnaps geben”. Herbert war in unserm Alter, 1900 geboren, war ein richtiger Ausbund, der den ganzen Tag nichts wie Dummheiten machte und seine Mutter und die alte Tante Gustchen zur Verzweiflung brachte. Dann kamen wir 3 nach Bychow. Wir blieben dort mehrere Jahre, währenddessen mein Vater in Zackenzin ein neues Wohnhaus baute. Meine schönsten Kindheitserinnerungen sind in Bychow. Wir hatten jede Freiheit, die ein Kind auf dem Lande haben kann. Meine Mutter ließ zu unserer besseren Schulbildung nachmittags den Lehrer Rensius vom Nachbardorf kommen. Wir Jungens saßen dann am Fenster und guckten nach ihm u. wenn das Wetter nicht gut war, freuten wir uns natürlich, wenn er nicht kam. Leider dauerte diese ungebundene Freiheit nicht allzulange, wir 3 Jungens kamen nach Danzig ins Königliche Gymnasium in die Vorschulklassen und waren dann nur noch in den Ferien zu Hause. In Danzig wurden wir zuerst zu Tante “Hans” (Hanna Nissen) in Pension gegeben. Sie war eine von den vielen Schwestern meiner Mutter, war verwitwet, war die Mutter von dem großen Sänger Hans-Herman Nissen. Mit Onkel Hans verband mich immer sehr viel, auch mein Leben lang, da wir mit ihm sozusagen aufgewachsen sind, obgleich er mehrere Jahre älter war als wie wir. Er ginge auch in dasselbe Gymnasium und konnte schon in der Schulzeit die Lehrer ganz genau nachahmen, worüber diese natürlich sehr erbost waren, z. B. “Äffst mir schon wieder meine Sprache nach, Nissen, verdammter Bengel, werde Dich gleich mal ins Klassenbuch einschreiben” oder: „Steh auf – wenn ich mit dir rede. Ehrerbietung bitte ich mir selbst vom Holzklotz aus!“ Onkel Hans hatte sich ein großes Vogelbauer gebaut und hielt darin ca.20 Waldvögel. Er baute mit uns Drachen und ließ sie steigen. Er war immer für uns da. Als er dann nach dem Abitur zuerst eine Kaufmännische Lehre begann, dann aber nach Berlin ging (seine Mutter ging mit ihm nach Berlin) um seine Stimme ausbilden zu lassen, kamen wir zu einem Ehepaar Scheibel in Pension, Trojangasse 8. Dort war unsere beste Pensionszeit, denn bei Tante Hans war es immer etwas merkwürdig. Sie litt ständig unter Geldnot, aber bei Frau Scheibel hatten wir die beste Pflege. Sie nähte uns z.B. die damals für Kinder üblichen Matrosenanzüge, ja sie wendete diese, wenn sie abgetragen waren zur großen Freude meiner Mutter. Sie kochte und verpflegte und vorzüglich. Ich habe noch in guter Erinnerung ihren Schweinebraten mit eingekerbter Kruste und ihre Hefeklöße. Meine Mutter kam öfter nach Danzig und erkundigte sich in der Schule nach unsern Leistungen. Sie ging denn zum Direktor und der ließ die einzelnen Lehrer kommen. Bei Frau Scheibel hatten wir auch über den Betten mehrere Vogelbauer hängen. Und wenn meine Mutter nach Danzig kam, hatten wir uns schon vorher in der Zoohandlung; neue Vögel ausgesucht und schleppten sie dorthin und ließen uns neue Vögel kaufen. Mein Vater hatte uns auch einen Garten gepachtet. Er ließ von Zackenzin eine Laube kommen, die unser Stellmacher gebaut hatte. So hattet wir Landkinder etwas Eigenes zum Spielen. Wir konnten sogar Kaninchen halten und verkauften die Felle. An Danzig habe ich herrliche Erinnerungen. Wir lernten in der Militärbadeanstalt schwimmen, gingen zu den Matrosen auf die Schiffe und waren sehr stolz, wenn diese uns alte abgelegte Matrosenschlipse verkauften. Leider starb Herr Scheibel nach einigen Jahren und seine Frau wollte dann die Arbeit mit uns Pensionskindern nicht mehr haben. Wir kamen während der Schulzeit nur noch in den Ferien nach Hause .Wir hatten dann in Zackenzin auch Ponys. Mein Bruder Paul hat dann eines Tages sein Pony mit einem Stock mit Teer angestrichen und ein Zebra daraus gemacht. Es war eine dolle Arbeit, das Zeug wieder abzubekommen. Von Frau Scheibel kamen wir dann zu meiner Schwester Ilse in Pension, die damals in Danzig wohnte. Sie war verheiratet mit dem Leutnant Sigurd Eschenbach, der aber dann im Krieg starb(später hat sie dann erst Onkel Curt v. Wittke geheiratet.) Aber bei Ilse ging es nicht lange gut, sie hatte immer viel anderes im Kopf und kochte kaum. Darum kamen wir dann zu meiner ältesten Schwester Frieda in Pension, die auch in Danzig verheiratet war. Dort schliefen wir mit ihrem ältesten Jungen, Jochen, zusammen, der damals so 3-4 Jahre alt war. Zu dieser Zeit waren aber nur noch Paul und ich in Danzig. Hans-Harald war auf der Landwirtschaftlichen Schule in Schiefelbein/Pommern. Paul und ich wurden dann auch noch in der schönen Marienkirche von Herrn Pfarrer Daniel eingesegnet. Dieser Pfarrer hat dann ganz in unserer Nähe in der Hildegardstraße in Wilmersdorf gewohnt, leider habe ich es nie gewusst. Erst durch seine Todesanzeige erfuhr ich davon, leider, ich hätte ihn sonst gerne besucht und sicher hätte er sich gefreut nach so vielen Jahrzehnten noch einen ehemal. Konfirmanden aus Danzig wiederzusehen. Meine Schwester Erna war schon vor dem Krieg, als die Schwestern zur Schulzeit in Danzig in Pension waren, als junges Mädchen an einer Lungenentzündung gestorben.

Und nun möchte ich von Zackenzin erzählen. Nachdem das neue große Haus fertig war, wohnten die Eltern und wir, wenn wir zu Hause waren, dort. Es wurden dort auch die Hochzeiten meiner 3 Schwestern gefeiert, als Erste Frieda 1911. Meine Mutter hatte viele Schwestern. Mein Vater hat einmal gesagt: er hätte gar nicht gewusst, wie viele Schwestern seine Frau hatte. Als er verheiratet war, tauchte immer eine nach der andern auf und verschiedene wurden von meinem Vater, als sie früh ihre Ehemänner verloren , auch immer unterstützt. Darum kamen wir Jungens z.B. als erstes in Danzig zu Tante Hans in Pension. Während das Haus gebaut wurde, hatte mein Vater einen seiner Bruder in Zackenzin, der ihm bei der Bewirtschaftung half, und da dieser unverheiratet war, zu seiner Haushalteführung Tante Marta, auch eine Schwester meiner Mutter mit Tochter Resi wohnen. Resi ist also sozusagen in Zackenzin aufgewachsen und bis zu ihrer Verheiratung sehr viel bei uns gewesen, wovon sie noch heute schwärmt. Dann waren da noch “die Tanten”, auch Schwestern meiner Mutter, Tante Ronchen (Veronika) und Tante Trusch (Therese) beide unverheiratet. Ronchen war Lehrerin gewesen, Trusch konnte erstklassig kochen und hat zu allen Hochzeiten meiner Schwestern und zu andern Gelegenheiten die schönsten und feinsten Sachen gekocht. Sie machte auch zu solch einer Gelegenheit einen Baumkuchen, damals noch am offenen Feuer. Dabei muss dauernd gedreht werden und der dickflüssige Teig (von 60 Eiern! )wird nach jeder Umdrehung neu herüber gegossen, dadurch sieht er dann aus wie ein Baum mit Jahresringen. Und da ist sie von der Hitze einmal ohnmächtig geworden und es ist überliefert, wie sie sagte: “immer drehen, drehen” und dabei fiel sie um. Diese Tanten hatten in dem Ostseebad Leba ein Haus, wo sie Sommergäste aufnahmen. Diese kamen jedes Jahr wieder, da Tante Trusch so vorzüglich kochte. Meine Mutter hatte dort auch ein Haus, Villa, wie man sagte. Dorthin wurden wir Jungens öfter im Sommer in den Ferien geschickt. Mit einem Ponywagen, auf dem ein Fass war, wurde Meerwasser geholt und im Badeofen heiß gemacht und dann wurden wir darin gebadet. Wir ritten natürlich auch mit unsern Ponys am Strand entlang, sehr zum Ärger der Feriengaste, denn die Ponys verunreinigten natürlich den Strand. Bei meinen Eltern in Zackenzin war meist viel Besuch u.a. auch 4 Kunstmaler: Saßnick, Genutat, Götze und Wohlgemut. Sie waren oft wochenlang bei uns und wir hatten viele wirklich gute Gemälde von ihnen im Haus. Ich habe diese Bilder dann noch alle in Gliegig gehabt. Das große Bild von der Danziger Marienkirche war s.Z.in Paris 1911 auf der Ausstellung, und meine Mutter hatte es danach in Danzig gekauft. Aber eines von den Bildern, die Wohlgemut gemalt hat, im Park mit der Friedenseiche hat jetzt Paul-Heinrich. Wir hatten auch Jagdgäste, viel gegenseitigen Besuch mit den Nachbarn. Im Winter wurden Jagden geritten und Treibjagden veranstaltet, bei denen wir Jungens später schon bei den Treibern helfen durften. Onkel Hans Nissen war sehr oft bei uns, sooft er konnte und liebe meine Eltern, besonders meinen Vater sehr. Zackenzin war landschaftlich ein sehr schönes Gut. Unten im Tal war der Bach, nachdem das Gut hieß. Dort waren unter den Steinen (wie ein Gebirgsbach)und Wurzeln der Baume Krebse und im Bach Forellen, die auch gefangen wurden und die wir aßen. Es war auch aber sehr viel schöner Wald, dazu im richtigen Verhältnis Acker, Wiesen und Koppeln und eine Spiritusbrennerei, wie in Pommern und Brandenburg auf allen Gütern. Es waren oft weite Wege zu den Feldern und Wiesen und daher schwierig zu bewirtschaften. Das Gut Bychow war landwirtschaftlich idealer, war eben wie ein Tisch. Da der Vater es aber nicht von Zackenzin nebenbei bewirtschaften konnte, hatte er es später verkauft. Meine Eltern besonders meine Mutter, liebten Zackenzin sehr. Vom Turm des Hauses konnte man die Ostsee sehen! Dorthin fuhren wir, meist an Sonntagen nachmittags mit dem Pferdewagen eine gute Stunde. Zum Gut gehörten außer den Ställen (die mein Vater alle neu bauen ließ) Scheunen, Brennerei, Stellmacherei und Schmiede, die Inst(Leute)häuser. Weiter zum Dorf hin waren einige Bauernhöfe und die Kirche. Jeden Sonntag fuhren wir alle zum Gottesdienst und nahmen mit unserer großen Familie immer 1 Bank ein. (Als wir dann in Berlin in der Brudhsalerstr. Herrn Schmöckel als neuen Hauswirt bekamen, kam er einmal zu uns und sagte, als er mich sah: „Sie sehen ja Ihren Vater wie aus dem Gesicht geschnitten“ und er erinnerte sich noch gut an meine Eltern, besonders an meine Mutter. Und meinte dann: es sei ihm eine Ehre, dass der Sohn vom alten Herrn Ewest jetzt sein Mieter war. Auf unsere Frage, woher er mich denn kenne, kam heraus: er hatte im Dorf einen Onkel, auf dessen Bauernhof er immer seine großen Ferien verlebt hatte, er selbst war aus Stolp. Und er sprach mit großer Hochachtung von meinen Eltern. So hat noch diese Erinnerung an meine Eltern uns Segen gebracht.-

Während des 1. Weltkrieges hatte mein Vater 400 russische Gefangene ,und hat mit denen die Urbarmachung von sumpfigen Wiesen und dergl. gemacht. Diese Leute wohnten in der sogenannten “Schnitterkaserne” ein großes Haus, in welchem in Friedenszeiten zur Kartoffelernte immer polnische Wanderarbeiter, die zur Akkordarbeit regelmäßig kamen, mit ihrem Koch wohnten. Mein Vater stellte auch fest, dass an einer Stelle unter der Erde Braunkohle lag. Aber der Abbau lohnte sich nicht, wie amtlich festgestellt wurde. Wir haben aber jahrelang Torf gestochen, der in der Brennerei verbrannt wurde. Die Offiziere von dem Gefangenenkommando wohnten bei uns im Haus, aßen mit bei Tisch und fühlten sich sehr wohl bei uns. Meine Mutter hatte dem einen Offizier, der im Zivilberuf Arzt war, ein deutsches Wörterbuch geschenkt und er lernte sehr schnell Deutsch. Er sagte immer: “werde vergessen Babuschka nicht mein Lebelang!” Das Haus hatte eine hohe Eingangshalle, dort wurde immer ein großer Weihnachtsbaum aufgestellt. Und dann kam der Lehrer mit den Schulkindern und sang Weihnachtslieder, danach wurden alle Kinder beschert.-

Als ich die Schule mit dem Einjährigen verließ, blieb ich erst 1/2 Jahr zu Hause und sah mich bei meinem Vater in der Wirtschaft um, bis ich zum 1.4.1920 eine Lehrstelle als Eleve bei Herrn v. Lettow-Vorbeck in Hoffelde Krs. Regenwalde bekam. Dort blieb ich 1 Jahr. Am 1.4.21 ging ich in eine andere Wirtschaft, zu Herrn Rittmeister Schulz in Wendisch-Buckow, Kreis Schlawe. Beide Güter waren auch Brennereibetriebe, in Hoffelde bestand noch eine Flockenfabrik. Um mich in der Viehwirtschaft zu vervollkommnen, ging ich zum 1.4.22 auf 1/2 Jahr nach Ostpreußen zu Herrn Oberamtmann Rosenow. / Domäne Brandenburg, Krs. Heiligenbeil. Es war damals sehr schwer für uns junge Leute eine Elevenstelle in der Landwirtschaft zu bekommen, wo man auch wirklich etwas lernte. Denn überall auf den Gütern kamen die Söhne und Schwiegersöhne aus dem Krieg, die als Eleven und Inspektoren (landwirtschaftl. Beamte) beschäftigt wurden. Schließlich waren wir ja 3 Söhne, die alle in die Landwirtschaft wollten. Noch viel schwerer war es dann, eine Stellung als junger landwirtschaftl. Beamter zu bekommen. Aus diesem Grunde hatte mein Vater das Gut Kaffzig, Krs. Rummelsburg gepachtet, wo zunächst mein ältester Bruder Hans-Harald hinkam. Mein Bruder Paul-Werner (genannt Paul oder Pauli )und ich gingen nach Göttingen zum Studium der Landwirtschaft. Ich konnte aber nur 2 Semester dort bleiben, denn inzwischen war Hans-Harald plötzlich mit der Eisenbahn auf der Fahrt nach Kaffzig tödlich verunglückt, Ich musste dann nach Kaffzig, war dort vom 1.4.23 bis zum 1.1.26 dieses Fachgut bewirtschaften. Die Gebäude und Stallungen waren dort ziemlich verkommen und kaputt und meine Mutter führte jahrelange Prozesse mit dem Besitzer, denn laut Pachtvertrag ist immer der Besitzer verantwortlich für den Zustand und die Instandhaltung der Gebäude. Letzlich hat sie auch Recht bekommen und die Prozesse gewonnen. Die Pacht lief dann auch ab und ich ging am 1.1.26 wieder zurück nach Zackenzin. Ich musste dort die ganze Wirtschaft leiten und meine Mutter unterstützen, denn mein Vater war schwer krank (Krebs) und leidend. Er war operiert worden, hatte einen künstlichen Darmausgang bekommen und konnte sich nicht mehr viel um die Wirtschaftsführung kümmern. Außerdem hatte er eine sehr schmerzhafte Trigeminusneuralgie ,die mit Alkoholeinspritzungen behandelt wurde (Operationen kannte man damals noch nicht dafür) durch welche er ein Auge verlor. Er trug dann immer ein Glasauge. Mein Bruder Paul war 1926 nach Süd-West-Afrika ausgewandert, um sich dort als Farmer eine Existenz zu schaffen, was ihm ja auch nach schwerem Anfang gelungen ist. Denn er sah hier kaum gute Möglichkeiten als Landwirt zu etwas eigenem zu kommen. Denn: als unser Vater als junger Mann auch mittellos anfing, bekam er immer sofort billige Kredite zu niedrigen Zinsen. Nur so konnte er die 3 Güter: Schönehr, Zackenzin und Bychow kaufen und die Grundstückspreise waren niedrig und stabil. Diese Jahre nach dem ersten Weltkrieg waren die schwersten für die Landwirtschaft. Der Krieg war verloren, die ganze Wirtschaft kaputt, völlige Umwandlung aller Lebensumstände und Gewohnheiten. Zuerst Inflation, danach Deflation. Danach kam die allgemeine Weltwirtschaftskriese. Niedrigste Festpreise für die Landwirtschaft, hohe Zinsen. Hohe Preise für Kunstdünger und Saat. Wir hatten mehrere kleine Hypotheken abgelöst und dafür eine von der RVA (Reicheversicherungsanstalt, was jetzt BFA ist) genommen und die Höhe der Hypothek lag absolut in der Ertragslage des Gutes ,um sie zu verzinsen. Aber auf einmal gingen die Zinsen in die Höhe und die RVA verlange 1/2 % pro Tag!! Das sind über 180% im Jahr. Und das konnten wir nicht verkraften. Es entstand in diesen Jahren die sogenannte “Ritterschaft” welche in Schwierigkeiten geratene Güter umschuldete und einen tüchtigen Verwalter einsetzte. Aber leider gab es diese nur in der Mark Brandenburg, nicht in Pommern. Meine Mutter wandte sich an die Generallandschaft in Stettin, deren Direktor unser Nachbar, Herr Fließbach-Kurow war und die auch Umschuldungen in kleinem Rahmen machte. Diese schickten eine Frau! die angeblich kaufmännisch versiert war. Meine Eltern mussten das Gut für mehrere Monate verlassen und ich mit dieser Frau wirtschaften. Von Landwirtschaft verstand sie nichts und hat uns in keiner Weise geholfen und wir waren froh, als wir sie wieder los wurden. Es gingen in dieser schweren Zeit überall, nicht nur in Pommern, große und kleine Güter und Bauernhöfe kaputt. Das war nachher auch der Grund, warum Hitler den “Erbhof” schuf, Größe bis 400 Morgen, die niemals verkauft oder versteigert werden durften. Aber diese schlechten Zeiten zogen sich hin bis 1932. Dann setzte die RVA einen Zwangsverwalter in Zackenzin ein und das war ich. Sie hatten erkannt, dass ich nicht schuld an der schlechten finanziellen Situation war und doch zu wirtschaften verstehe. 1933 wurde Zackenzin versteigert. Meine Mutter war am 19.6.1932 plötzlich an einer Embolie gestorben. Es war ihr erspart geblieben, den Verlust von Zackenzin, an dem ihr ganzes Herz hing und um welches sie jahrelang gekämpft hatte erleben zu müssen. Es hätte ihr das Herz gebrochen. Sie hat auch zum Glück nicht mehr erlebt, dass meine Schwester Ilse (v. Wittke) aus voller Gesundheit heraus 1934 mit 34 Jahren innerhalt weniger Tage an einer Kehlkopfdiphterie starb(erstickte).

Zackenzin kaufte aus der Versteigerung der Kreistierarzt Dr. Koops, der ein richtiger Kriegsgewinnler war. Damals kamen aus Ostpreußen laufend Viehtransporte ins Reich und die Grenze durch den polnischen Korridor war im Kreis Lauenburg. Da musste er als Amtsarzt die Tiere kontrollieren ob die gesund sind.d.h.er sah nur in die Waggons, die plombiert kamen, hinein und stempelte alles gesund. Er erhielt pro Ferkel 1.-RM!! und für Großvieh entsprechend mehr. Und nun überlege man sich mal, wie viel Ferkel alle in einen Waggon hineingehen. Aber Zackenzin hat ihm kein Glück gebracht. Seine Frau wollte niemals dorthin ziehen(er wohnte in Lauenburg und hat sich im Leba-See das Leben genommen. 2 von seinen Söhnen sind in Zackenzin auf die Jagd gegangen, haben sich im Dämmern am Rande einer Wiese gegenseitig für das Wild gehalten und aufeinander geschossen. Einer war tot, der andere ist im 2.Weltkrieg gefallen und übrig blieb nur 1 Sohn, der mit Kinderlähmung im Rollstuhl saß. Mein Vater zog dann zu Tante Dete nach Bad-Polzin, wo ihr Mann Dr. Werner Duwe (der Bruder von Tante Hanni) Chefarzt vom Johanniter-Krankenhaus war. Ich ging zu Paul nach Süd- West und hatte eigentlich die Absicht, auch dort zu bleiben. Aber es gab zu dieser Zeit nichts günstiges, billiges mehr zu kaufen, die gute Zeit der Einwanderung war vorbei. Und um ehrlich zu sein, gefiel mir dieses trockene Land nicht so richtig, in Gegensatz von Paul, der es von 1. Tag an geliebt hat. Onkel Paul schickte mich nach ein paar Wochen mit einer Pferdekarre gleich auf Pad, durchs ganze Land, um alles kennenzulernen. Ich fuhr im Juli 1936 zurück, um das Haus, Villa Margarete in Leba, welches ich von meiner Mutter geerbt hatte, zu verkaufen und hatte doch die Absicht, nach Süd-West zurückzufahren. Ich ließ darum auch meine ganzen Sachen, Jagdwaffen usw. bei Paul, später hat er mir dann alles, bis auf die Jagdwaffen, die ich ihm schenkte, noch kurz vor Ausbruch, des 2. Weltkrieges zurückgeschickt. Denn als ich wieder hier ankam, hatte Hitler inzwischen sein neues Wehrgesetz in Kraft gesetzt und ich wurde nicht mehr hinausgelassen. Ich habe dann hier verschiedene Verwalterstellen gehabt und lernte im Herbst 1936 Mutti kennen. Wir verlobten uns am 16.5.37, und heirateten am 11.2.1938 in Frankfurt/Oder in der schönen alten Marienkirche wo Mutti getauft und eingesegnet worden war. Ich war schon dauernd auf der Suche nach etwas Eigenem. Es war auch damals sehr schwer, etwas Gutes zu finden. Was erschwinglich war, war heruntergewirtschaftet oder hatte schlechten Roden und war unrentabel .Und allzuviel Geld hatten wir ja auch nicht. So fanden und kauften wir dann Anfang April 1938 Glienig bei Dahme/Mark, Kreis Jüterbog-Luckenwalde. Ein Restgut, parzelliert nach dem 1. Weltkrieg, mit stillgelegter Brennerei , seit Jahren nicht mehr ordentlich bewirtschaftet. Es war von einer Hand in die andere gegangen, jeder hatte nur herausgezogen. Das Brennrecht war verkauft worden, dazu noch gutes Ackerland und Wald und die Vorbesitzer hatten viel zu großartig gelebt – mit Reitpferden usw. – Aber es waren erstklassige Gebäude vorhanden, dazu war vom letzten Vorbesitzer das Wohnhaus erstklassig vollkommen renoviert worden, sogar mit Zentralheizung. Glienig hatte 550 Morgen, da. von 200 Morgen teilweise sehr guten Wald, es ließ sich bei guter Bewirtschaftung durchaus etwas daraus machen. Und es war nicht teuer, denn es war kaum Vieh vorhanden und nur ziemlich schlechtes totes Inventar (Maschinen, Pflüge usw.). Es lag ca.130 km. südlich von Berlin und hatte, wie alle Dörfer auf dem Fläming, keine eigenen Wiesen. Die musste jedermann in Baruth beim Fürst en Solms pachten, der dort im Ursprungstal 80 000 Mg. Wiesen hatte. Wenn dann Heuzeit war und man fuhr nach Baruth, kamen einem endlose Schlangen von Heuwagen entgegen. Bei sparsamer Wirtschaftsführung ist es mir dann auch gelungen, dort vorwärts zu kommen. Als erstes habe ich mal die 3 Tore alle zugemacht und verschlossen, denn die Bauern waren es gewöhnt, statt um den Gutshof herum, durch denselben zu gehen und alles mitzunehmen, was sie greifen konnten und sogar wegzutreiben! Dann habe ich die vielen kaputten Pflüge und dergl. beim Maschinenhändler in Dahme gegen einige neue, moderne eingetauscht. Danach habe ich erstmal Vieh angeschafft: 10 tragende Jungkühe, 6 Pferde und da man als Landwirt von Jugend auf versteht zu handeln und das auch muss, habe ich gegen den ausgekochten Pferdehändler meine Preise durchsetzt. Er hat nachher gesagt: er hätte ja schon manchen Handel gemacht, aber so einen, wie diesen, noch nie”. Es waren nämlich nur noch eine viel zu alte Kuh und ein schlechtes altes Pferd als einzige Tiere vorhanden. Um Einnahmen zu schaffen, habe ich sofort mit der Molkerei in Dahme einen Vertrag gemacht und die Milchfahrerei für 6 Gemeinden zu übernehmen. Nach 1 Jahr, noch vor dem Krieg, habe ich dann einen Traktor-Normag-Diesel gekauft, der Vormittags die Milch fuhr und nachmittags für die Feldarbeit genutzt wurde. Dann ist es mir gelungen, nach 1 Jahr die Zuerkennung für “Kartoffelsaatzucht, anerkannter Nachbau” zu erhalten. Saatkartoffeln bringen immer mehr Geld als wie Fabrik- oder Speisekartoffeln. Für unsere Einrichtung brauchten wir nichts zu kaufen, denn ich hatte ja genug Möbel, von meinen Eltern, die in der Zwischenzeit teilweise bei Onkel Gurt in Prebendow und bei einem Spediteur in Lauenburg untergestellt waren, diese ließen wir kommen. Dabei war auch jede Menge Wäsche, Gardinen usw. welches Mutti teilweise noch heute! in Gebrauch hat. Aber wir hatten kein Schlafzimmer, aber ein neuen wollten wir uns auch nicht kaufen. Ich hatte das Bett von meiner Mutter, Mutti das Bett von ihrem Vater. Dazu 2 verschiedene Nachttische und 2 verschiedene Schränke. Aber das störte uns nicht. Wir hatten alles Geld in die Wirtschaft gesteckt, zum Kauf und was Mutti hatte und welches eigentlich mal für ihre Aussteuer sein sollte, zum Kauf des so notwendigen toten und lebenden Inventars (Maschinen u. dergl. u. Vieh). Und natürlich kein “Reitpferd“ und keinen Verwalter. Aber ich habe mein kleines Auto, einen DKW-Meisterklasse gehabt, den hatte ich aber schon. Im Haus hatte Mutti 1 Mädchen -Bauerntochter-später 2 Pflichtjahrmädchen und zum Schluss ein sehr zuverlässiges ehrliches junges Polenmädchen. Und dann habe ich mich von Anfang an sofort bemüht, die Brennerei wieder in Gang zu bekommen, ein neues Brennrecht zugeteilt zu bekommen und zu kaufen. Das war das Schwierigste und wurde schließlich, da das Gut zu klein war für ein eigenes Brennrecht (die Brennereimaschinen waren ja für große Kapazitäten vorhanden) nur als Genossenschaftsbrennerei genehmigt. Zusammen mit dem Nachbargut und mehrere Bauern aus Glienig und mir wurde dann die Brennerei wieder betrieben. Aber es war ein schweres Stück, die Bauern davon zu überzeugen, wie wertvoll eine Brennerei ist. Das geht folgendermaßen: die Kartoffeln werden gewaschen, Gerste wird zum keinem gebracht und gemälzt. Dann wird alles zusammen gekocht, gedampft. Die Kartoffelstärke und das Malz werden zu Zucker, der Zucker zu Alkohol durch die Gärung, dieser Alkohol wird dann abgebrannt. Man erhält einmal den fast 100% -igen Spiritus und vor allem die Kartoffel-Malzrückstände, die “Schlempe” eine dicke, süße Kartoffelsuppe ,die alles Vieh sehr gerne frisst und sehr nahrhaft ist. Und man hat den ganzen Winter über gutes billiges Futter, brauch nur noch etwas Häcksel und Heu zu futtern und hat Bargeld durch den Spiritusverkauf. Ferner kann man die Kartoffeln verbrauchen, wie sie vom Felde kommen, man hat kurze Wege und nicht stundenlange Fahrten zur Eisenbahn zum Verladen, denn die Bahnstation war 20 km. entfernt. Die Brennereimaschinen waren in erstklassigem Zustand, die ganze Brennerei ein ganz massives Gebäude, mit Brennerwohnung, schon damals allein 100 000 RM wert (das ist später vom Lastenausgleich kaum entschädigt worden). Der Brenner wohnte im 0 hatte sich da in eine kleine Wirtschaft eingeheiratet. Es konnte also gar nicht besser passen und wir haben dann auch gebrannt, nur den letzten Winter im Krieg nicht mehr. Zu unser aller Glück, denn als die Russen kamen, erwarteten sie gleich volle Fässer, Gott sei Dank war alles leer, die Fässer innen trocken! Denn sonst wäre es uns allen viel schlimmer ergangen. Übrigens wird immer nur im Winter gebrannt.— Zum Gut gehörten das Wohnhaus, sehr großer massiver Stall, der Schweinestall, Kuhstall und Pferdestall war und Waschküche. Ferner 2 große Scheunen, 2 Leutewohnhäuser, Backofen und die Brennerei, elektr. Pumpe für die Wasserversorgung -früher Windmotor- großer Wirtschaftshof, Gemüsegarten und Obstgarten. Dort hatten wir auch 3 Bienenstöcke stehen. Das Haus hatte im Erdgeschoß 8 meist große Zimmer, große Küche, Speisekammer, Bad, WC. oben großen Boden, 4 kleinere Zimmer und u Bodenkammern. Im Giebel des Hauses war eine Turmuhr, mit einer eigenen Uhrkammer auf dem Boden. Die musste jede Woche aufgezogen werden, schlug alle vollen Stunden und die Viertelstunden und man hörte sie weit wie eine Kirchturmuhr. (Die Kirche war in Nachbarort und dort war Pfarrer Thiel unser Pfarrer, der Euch 3 alle getauft hat). Getrennt durch einen Zaun war da noch das ehemalige “Schloß” mit entsprechenden Nebengebäuden und wir waren immer froh, dass dieser Kasten nicht zu uns gehörte, zusammen mit dem Gutspark. Das gehörte damals einem Berliner Pfandleihbesitzer (Herrn Michel ) ein doller Kerl. An ihn war auch leider die Jagd, d.h. die Ausübung des Jagdrechts verpachtet. 1942 lief die Pacht aber ab und dann habe ich sie selbst ausgeübt. Ich habe manches Wildschwein geschossen da es in Glienig hauptsächlich viel Schwarzwild gab. Dieses Schloss war bei der Parzellierung nach dem 1. Weltkrieg extra verkauft worden. Inzwischen waren auch zu mir zurückgekommen 2 ehemalige Landarbeiterfamilien als sie hörten, dass ich wieder einen ordentlichen Betrieb aufgebaut hatte. Auch die Bauern, alles kleine Bauern merkten bald, wer jetzt hier wirtschaftete und sie nicht mehr alles wegschleppen konnten, aber sie erkannten das an, und ich bin mit ihnen immer gut ausgekommen. Nur der sogenannte “Bürgermeister” wie die Dorfschulzen dann bei Hitler hießen und der Ortsbauernführer, beide 100% Parteigenossen, kleine Bauern, machten all die Jahre große Schwierigkeiten und viel Ärger. Letzten Endes konnten sie aber nichts gegen mich machen. Es ließ sich also alles gut an, da kam nach 1 1/2 Jahren der Krieg, am 1. Sept. 1939 ! Ich wurde sofort gemustert, aber auch gleich uk (unabkömmlich) gestellt, obgleich ich Kv (Kriegsverwendungsfähig) war. Und so blieb es die ganze Kriegszeit. Ich war zu Hause für die Volksernährung in der Heimat nötiger als wie als kleiner Soldat an der Front. Aber es wurden sofort alle Pferde beschlagnahmt. Ich kaufte dann gleich noch einen Holzgastraktor, den es bald gab, ferner 4 Zugochsen. Mein Auto wurde mir freigegeben als “Behelfslieferwagen” mit 30 L. Benzinzuteilung pro Monat, das ging bis Ende 1942. Dann wurde diese Vergünstigung gestrichen und ich kaufte 2 sogenannte Doppelponys (etwas größer, wie kleine Pferde),um beweglich zu sein. Um nach Dahme zu kommen, und nach Jüterbog (und Luckenwalde zu den Kreisbehörden, beide Städte rund 40 km. von uns entfernt). Es wurden auch gleich alle meine Männer eingezogen. Zur Kartoffelernte, die dann bald zu Kriegsbeginn begann, schickte man mir: Schüler, Fabrikarbeiterinnen und Ladenverkäuferinnen aus Berlin! – ein furchtbares Volk. Auf unserm sehr großen Hof war auch noch der allgemeine Dorfteich, auf welchem sich die Gänse und Enten aller tummelten. Natürlich verlangten diese “Erntehelfer“ möglichst täglich Gänsebraten und glaubten es nicht, dass das viele Geflügel nicht uns allein gehörte. Ich war wie erlöst, als dann nach dem Polenfeldzug sehr schnell polnische Kriegsgefangene kamen, sehr gute Leute und vorzügliche Landarbeiter. Da die Brennerei noch nicht in Betrieb war, der Brenner ohnehin im Dorf wohnte, wurden sie in der Brennerwohnung untergebracht, Mutti musste für alle kochen und Brot backen. Im nächsten Frühjahr, 1940 wurden dann die Polen entlassen, d.h. sie blieben als Zivilarbeiter überall bei den Bauern und ich bekam ein Kommando französische Kriegsgefangene. Zuerst war ich sehr skeptisch, wie wohl so Franzosen als Landarbeiter sein werden. Aber sie waren genau so gut, als wie die Polen, bald noch besser, vor allem mit Köpfchen! Es waren alles Bauern aus der Bretagne. Ich habe nie wieder so gute, anständige Leute gehabt. sie hatten volle Freiheit bei mir, vor allem, nachdem nach 2 Jahren keine Wachleute mehr dabei waren (2 deutsche Soldaten) und ich zum Hilfswachmann ernannt wurde. Der eine von ihnen, Joly, fuhr täglich mit dem Traktor und Gummiwagen die Milch zur Molkerei nach Dahme. Wir haben ihm dann noch, da wir sehr kalte Winter hatten, einen Pelz zurecht gemacht. Auch die Franzosen (12 Mann wohnten in der Brennerwohnung) hatten ihren eigenen Koch mit. Ärger mit der Verpflegung hatte Mutti meist nur mit den Wachmännern, der eine wollte es haben “wie bei Muttern” der andere wollte tägl. gebratenes, kam aus einer Kneipe. Wir waren froh, als sie endlich abgezogen wurden. Unter den Franzosen hatte ich mir extra einen Schmid und einen Stellmacher in Luckwalde im Stalag (Stammlager) zuteilen lassen, da ich ja eine Schmiede und Stellmacherei auf dem Hof hatte. Ich habe durch diese beiden alles in Ordnung bringen lassen, wozu man sonst viel Geld für die Handwerker im andern Dorf hätte ausgeben müssen. U. a. war noch eine kaputte Fuhrwerkswaage auf dem Hof, diese haben mir die Franzosen mit dem Stellmacher vollkommen in Ordnung gebracht, so dass ich wieder selbst wiegen konnte. Der Stellmacher war sehr geschickt, er hat uns mal ein wunderschönes Rehgeschnitzt. Und für Euch 2 kleine Jungens, PH. und Bua 2 Holzpferde und 2 kleine Wagen gemacht, vor die man diese Pferdchen anspannen konnte. Er hat auch die Acker- und Heuwagen repariert, neue Kastenleitern, Räder, ja, teilweise ganz neue gemacht. Holz hatte ich ja genügend im Wald. Hat alle Tore des großen Stalles neu gemacht. Ich habe von den Franzosen die Windrose von dem kaputten Windmotor herunterholen lassen, da sie total verrostet war und immer laut quietschte. Und ich habe die ganze Wasserleitung zum Haus aufgraben lassen und tiefer legen lassen. Sie lag nur 1/2 m unter der Erde und wir hatten dort auf dem Fläming immer sehr kalte, schneereiche Winter, in den ersten 2 Jahren war die Leitung regelmäßig eingefroren. Außerdem hatte ich den an gekörten Deckbullen und den angekörten Zuchteber und hatte die Deckgelder, wenn die Bauern mit ihren Tieren zum Decken kamen. Mein Vater kam so lange er noch lebte (bis 30.1.42) immer mehrmals im Jahr zu uns, blieb dann meist mehrere Monate und freute sich sehr, was aus diesem devastiertem Gut geworden war. Ich habe alles in Ordnung bringen können und viele Verbesserungen gemacht durch die Hilfe der Franzosen. Ich hatte inzwischen nur noch 2 deutsche Familien, d.h. nur die Frauen und Kinder, aber mehrere ausländische Familien, die dann alle in den Leutewohnungen wohnten und die wir voll mit den notwendigsten Möbeln ausstatten konnten, da ich von Zackenzin genug davon hatte. Im Stall hatte ich einen sehr tüchtigen Polen, ferner 1 russische Familie, 2 Russenfrauen, Mutter und Tochter – eine Ukrainerfamilie, 1 Polin mit 14 jähr. Tochter und einem 6 jährigem Mädchen. Die kleine spielte immer mit Euch Kindern, die Große, Irena hatten wir im Haus, bis zuletzt. Die Brennerei als Genossenschaft unterstand dem Raiffeisenverband und dieser schickte mehrmals im Jahr einen Bücherrevisor, der dann immer mehrere Tage bei uns wohnte und alles für die Steuer fertig machte. Als der dann auch eingezogen wurde, haben wir seine Frau mit den 2 Kindern zu uns genommenem, um sie vor den Bombenangriffen bewahren. Wir haben dann oben 2 Zimmer für die eingerichtet und ihr noch eine eigene Küche eingebaut. Den Heuboden, der ja über allen Ställen war und ganz massiv und den ich nicht voll ausnutzte, habe ich an Berliner zum Unterstellen ihrer Möbel und an die Organisation Todt vermietet, als Lagerraum. Als 1945 der Zusammenbruch kam, war Glienig in allerbestem Zustand, man sagte von mir: “der Taler hätte bei mir 2 Seiten”. Ich hatte inzwischen auch beste neueste Landmaschinen und einen neuen Dreschkasten. Es fehlte nichts. Gegen Ende des Krieges kam aus Schlesien Tante Lotte, eine Verwandte von Mutti, eine alte Lehrerin, als Flüchtling außerdem war ja Oma immer bei uns, unser Haus war also voll. Ich wurde ganz zu Ende des Krieges noch zum “Volkssturm“ eingezogen. Dadurch kamen wir nicht mehr rechtzeitig weg, wie wir es eigentlich vorgenommen hatten und wurden am 20.April 45 von den Russen überrollt. Was sich da abgespielt hat, würde Seiten füllen. 2 Tage davor habe ich noch mit Mutti im Wald eine Holzkiste, innen und außen mit Dachpappe gegen Nässe geschützt mit meinen guten Jagdgewehren vergraben. Da wird sie wohl heute noch liegen, denn die Schonung ist inzwischen hoher Wald geworden. Ferner haben wir unser Silber und Schmuck vergraben (nach Monaten auch wiedergefunden) der Pole, den ich im Stall hatte, kam nach ein paar Stunden zu mir und sagte: „Die Russen haben uns gefragt, wo wir arbeiten, – wir haben gesagt: bei Chef auf Gut. – die Russen haben gefragt: guter Chef oder schlechter Chef – wir haben gesagt: guter Chef. Hätten wir gesagt, Du bist schlechter Chef, so hätten sie Dich sofort mitgenommen.” Weil uns das große Schloss zum Glück nicht gehörte und ich nie in der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen war (darüber hatten sich die Russen sofort erkundigt) haben sie mir und uns allen nichts getan, sondern ließen uns wohnen. Sie durchwühlten aber sofort meinen Schreibtisch, Aktenschrank. Unser Haus wurde zur Plünderung freigegeben. Und es muss leider gesagt werden: die vielen Flüchtlinge und Berliner evakuierten Frauen, die im Dorf waren, nur diese haben geplündert, auch fast alle Lebensmittel, Eingewecktes, Eingeschlachtetes, man lebt doch auf dem Lande als Selbstversorger. Bald wurde auch das ganze Rindviel weggetrieben die Schweine geschlachtet. Der Zuchteber lag von Würmern zerfressen auf dem Dunghaufen. Die Kartoffelmieten geöffnet, selbst sie Saatkartoffeln und Saatgetreide geklaut. Das Auto, die Trecker, die Ponys weggenommen. Nach 1 Woche war das Gut total devastiert. Unser Wohnhaus wurde später in 2 Teile auseinandergerissen, alle Stallungen, Scheunen, die Brennerei abgerissen. In der 1. Woche haben uns vor allem unsere ausländischen Arbeiter immer wieder zu essen gebracht. Nach ca. 1 Woche wurden sie dann alle mitgenommen und zurück in die Heimat geschickt. Aber auch die Franzosen brachten uns zu essen. Zu unserm Glück kam dann bald im Mai eine Kompanie Russen und errichten bei uns eine große Bäckerei. Die Offiziere wohnten bei uns, mit uns, im Haus, alle andern in der Brennerei. Und diese haben dann die Plünderer, die immer wieder in Trupps durchzogen, vertrieben und waren unser Schutz. Selbst die Russen brachten uns Milch, wie sie überhaupt immer sehr gut zu allen Kindern waren. Ich habe in meinen ganzen Leben von den Leuten immer Arbeit verlangt aber Sie immer gut und gerecht behandelt, das Polenmädchen im Haus hat genau dasselbe Essen bekommen, wie wir. Und das haben die Franzosen und die ausländischen Familien anerkannt, sonst wäre es uns schlecht ergangen, wie wir später über andere Verwalter, Besitzer erfuhren. Wie und wovon wir diesen Sommer überlebt haben, weiß ich nicht, aber es ging. Denn die Felder waren nicht bestellt worden. Die ganzen Gemüsesaaten, die Mutti schon hatte, waren weg. Wir waren ja 7 Fersonen und Ende August kam auch noch Tante Dete mit ihrem jüngsten Sohn (15) zu uns. Die Russen haben übrigens den Kindern immer Brot gegeben, was sie gebacken hatten. Es war so eine Art Kommisbrot und sie gaben allen Kindern so reichlich, dass auch wir davon hatten. Die Kinder liefen immer hinter den Russen her und bettelten: bitte Ruski gib Kleber und Bua mit seinen 4 Jahren war immer dabei! Anfang August kam ein Trupp von der GPU (Geheimdienst) hielt sich einen Tag in unserm Haus auf und nahm am Abend schließlich alle Männer, die noch im Dorf waren mit, mich auch. Wir kamen nach Luckenwalde in einen Keller von einer Fabrik, wo schon seit April 100te eingesperrt waren. Die Russen nahmen oft wahllos jeden, den sie sahen, mit u. sperrten ihn dort ein. Mutti war es gelungen in Luckenwalde Verbindung zu einem Herrn zu bekommen, der für die Wiederingangsetzung der Landwirtschaft sorgen sollte. Sie bekam 2 Pferde und konnte so mit einem kleinen Wagen nach Luckenwalde fahren. Paul-Heinrich nahm sie öfter mit und ließ ihn bei unserm Zahnarzt, 1. zur Behandlung und dann hatte der Kinder im gleichen Alter. Dieser Herr, der Landwirtschaftsbeauftragte hat dann wiederholt seine Tante zu der Fabrik geschickt, wo wir eingesperrt waren und hat mir etwas zu essen bringen lassen. Auch bekam Mutti durch diesen Verbindung zu einem Juden und durch den kam sie bis in den Hof der Fabrik und hat uns und mich alle gesehen. Als dann eines Tages die Russen frugen: „wer meint, dass er unschuldig hier sei, solle sich melden” habe ich mich gemeldet und wurde auch tatsächlich dann freigelassen. Sonst wäre ich bis Russland mitgenommen worden. Das haben wir viel später von unserm Lehrer aus Glienig erfahren. Der war bis Frankfurt/Oder mitgenommen worden, dann aber, da er alt und krank war, zurückgeschickt worden. Mich, der ich jung und gesund war, hatten sie bestimmt nicht zurückgeschickt. Ich bin dann die ganze Nacht von Luckenwalde nach Hause gelaufen-40 km. und klopfte früh bei Mutti ans Fenster und wir waren sehr glücklich, wieder zusammen zu sein. Inzwischen hatte in Glienig, wie überall, die Enteignung stattgefunden und Mutti sollte mit Euch Kindern und Oma und Tante Lotte und Dete und Christian sofort aus dem Haus. Nur der Tatsache, dass ich nie in der NSDAP war, was der neue Bürgermeister Herr Müller ausdrücklich bestätigte, war es zu verdanken, dass sie alle im Haus bleiben konnten. Auch durfte ich darum dann nach der Aufteilung auf meinem eigenen Grund und Roden wieder “mitsiedeln” mit 30 Morgen, wie jeder andere. Aber wir bekamen gleich eine große Flüchtlingsfamilie ins Haus. Im Februar 1946 mussten wir dann binnen wenigen Tagen doch Glienig verlassen und wurden in Klein-Ziescht bei Baruth, ca.30 km entfernt auf einem ebenfalls aufgeteilten Bauernhof, umgesiedelt. Dort hatte man noch die Schwiegereltern des enteigneten Bauern, der auch fort musste, eingesetzt und wir mussten mit denen das kleine, baufällige Haus teilen. Wir hatten 1 Kammer, 1 Zimmer, 1 Küche. Oma und Tante Lotte wohnten anderswo im Dorf. Dete war schon vor Weihnachten mit ihrem Jungen mit einem Transport nach Westdeutschland gefahren. Die Bauern in Klein-Ziescht waren meist alle arm. Sie hatten ein paar Morgen Acker, Wiesen und sehr viel Wald, der aber viel zu weit weg war und den sie kaum nutzten. Das Haus(Fachwerk) war so uralt und kaputt, dass die Katze von außen durch die Löcher ins Zimmer kam. Natürlich Klo und Wasserpumpe auf dem Hof. Für das Zimmer und die Kammer (wo ihr 3 Kinder geschlafen habt) war 1 Ofen, der von der Küche geheizt werden musste. Der hatte ein so großes Feuerloch, war in früheren Zeiten zugleich als Backofen für Brot benutzt worden und verbrauchte soviel Feuerung, wie wir gar nicht hatten, folglich war es immer kalt, so dass das Waschwasser im Zimmer gefroren war! Wir durften aber unser ganzen Möbel mitnehmen, die 2 Pferde, eine Jungkuh (die noch keine Milch gab) und es begann wieder ein Neuanfang. Als die Kuh endlich kalbte, lernte ich erstmal melken. Aber von der Milch durften wir nur für euch Kinder 1/2 l. behalten, alles andere musste abgeliefert werden. Bis zur Ernte haben wir uns dann so durchgewurstelt, mit essen. Mutti musste mit in der Landarbeit helfen und ich machte alle übrige Arbeit, alles körperliche Arbeiten, die wir bisher nicht gemacht hatten, bzw. nicht kannten. Es gelang wir aber, einen alten Grasmäher zu bekommen und die notwendigsten landwirtschaftlichen Maschinen. So könnte ich mit der Feldbestellung anfangen. Wir hatten auch wieder ein paar Hühner und 2 Gänse, 1 Paar, die dann 8 junge Gänse hatten. Leider wurden uns alle im Dezember, als sie schlachtreif waren, in einer Nacht geklaut, eingebrochen. Das war sehr bitter für uns. 1947, im Juli habe ich die Zimmer und die Kammer renovieren lassen und den verrückten Ofen umsetzen lassen. Als alles fertig war, mussten wir wieder weg. Die Handwerker haben nur noch nie Bezahlung abgeholt. Wir sollten in ein Russenlager eingeliefert werden, wo die Familien auseinandergerissen wurden und wir nach Russland abtransportiert werden sollten. Da sind wir dann mit Hilfe von 2 Schwarzhändlern aus Berlin mit den guten Möbeln, den 2 Pferden, der Garderobe nach Berlin geflohen. Tante Lotte war inzwischen gestorben. In Berlin kamen wir am 20.9.47 an. Mutti hatte inzwischen wieder ein aus mehreren Teilen zusammengebautes Fahrrad und war damit viel nach Baruth zur Kirche gefahren. Durch den Superintendent von Baruth bekamen wir in einer Baracke im „Waldhaus“ (Nervenklinik der Inneren Mission) in Nikolassee 1 Zimmer, (Oma war bei Bekannten untergekommen) und wohnten dort bis Dezember, wo wir endlich in Berlin Zuzug bekamen und in Halensee Joachim-Friedrichstraße 52 bei Frau Struckmann 2 1/2 Zimmer zugewiesen bekamen. Und wir waren überglücklich, als wir endlich Lebensmittelkarten bekamen. Wir hatten in diesen 3 Monaten alles verkauft, was nicht notwendig war, Mutti ihren Familienschmuck (den wir wieder s.Z. in Glienig ausgegraben hatten) um Brot, Milchpulver, 1 Sack Kartoffeln und 1 Sack Mohrrüben auf dem schwarzen Markt zu kaufen. Gekocht hat Mutti im Zimmer auf dem Ofen. Aber was macht ein Landwirt ohne Land in Berlin. Zunächst mal hatten uns die 2 Ganoven bei unserer Flucht nach Berlin die Pferde geklaut. Mit viel Mühe und gerichtlicher Hilfe habe ich dann 1 Pferd wiederbekommen. Das habe ich dann bei dem Spediteur Haselof gegen Futter und Arbeit eingestellt. In der Garage, wo unsere Sachen eingestellt waren, die hatten sie aufgebrochen u. unsere Garderobe lag schon zum Abtransportieren bereit. Ich musste also schnellstens für eine andere Unterstellung sorgen. Das gelang mir bei einem Spediteur in Moabit-Waldstr. Der holte mit seinen Wagen und Leuten die Möbel ab, wobei leider die wunderschönen alten, eingelegten Möbel von meinen Eltern kaputtgemacht wurden. Später ist es mir aber gelungen, noch diese an einen Antiquitätenhändler zu verkaufen, allerdings vor der Währungsreform. Ich musste nun zum 3.x neu anfangen und wollte einen Fuhrbetrieb aufmachen. Dazu brauchte ich eine Gewerbegenehmigung und musste nachweisen, dass ich so etwas schon mal gehabt hatte. Ihr Kinder habt übrigens so elend ausgesehen ,dass uns in dem verhungerten Berlin die Menschen auf der Straße angesprochen haben. Mutti, die damals Eckhart erwartete, hatte im Anfang Schwierigkeiten und war mehrere Wochen im Krankenhaus. Sie ist dann aber nach Dahme gefahren und besorgte von dem Molkereivorsteher, der zum Glück noch dort war, den Vertrag über die Milch abfuhr, die ich in Glienig hatte. Ich selbst durfte nicht nach Dahme fahren, da man mich steckbrieflich suchte. Durch diesen Vertrag bekam ich dann „amtliche Fuhrgenehmigung und Güternahverkehr. Gewerbe“ Ich fing erstmal an mit dem Pferd und einem Wagen, den ich auch irgendwie bekam, in der Enttrümmerung zu fahren. Ich musste alles allein auf- und abladen! Ich habe den Lochowdamm, den Insulaner mit Schutt aufgefüllt, einen ebenso großen Trümmerberg am Funkturm, der dann später wieder abgefahren wurde, als die Stadtautobahn gemacht wurde. Dann kam Postpakete ausfahren. Das war gute, leichte Arbeit, hörte leider nach 1 Jahr auf, weil die Post wieder eigene Autos anschaffte. Dann kam Schrott, da habe ich noch die Gewerbeprüfung für Schrottankauf und Metalle gemacht, um diese kaufen zu können. Dann kam noch Schrottabfahren bei Johannes Haag. Dann bekam ich im März 1952 die schwere Lungenentzündung. Ich hatte inzwischen auch ein anderes Pferd. Kurz nach Eckhart’s Geburt, in der Blockade hatte sich mein Pferd an der Halfter im Stall in der Nacht erhängt, da es damals keine Unterstreu gab. Da habe ich ein Leihpferd von den Engländern bekommen, welches ich nach Beendigung der Blockade billig kaufen konnte. Nachdem ich dann wieder gesund war, September erhielt ich die feste Beschäftigung bei Johannes Haag zum Fahren des ganzen Materials, ich fuhr als selbstständiger, wurde nach Stunden bezahlt. Das Pferd hatte Mutti während meiner Krankheit in Kladow bei der Arbeiter-Wohlfahrt (AWO) untergestellt. Diese unterhielt damals in einem ehemaligem Wehrmachtslager eine Unterkunft für jugendliche DDR-Flüchtlinge und hatte alle Handwerksstätten, um die jungen Leute zu beschäftigen. Dort hatte das Pferd nur leichte Arbeit (es war ein Schmid dort) und war wie in der Sommerfrische und war gesund , als ich es im September wieder holen konnte. Aber ich habe es dann verkauft, den Waffen auch und habe eine kleines sogenanntes Lastauto gekauft (umgebauter Opel-Personenwagen mit 1-Achs-Anhänger) und habe mit diesem Wagen zuerst Schrott und dann, wie gesagt, bei Johannes Haag gefahren. In Laufe der nächsten Jahre habe ich dann nochmal 2 x ein gutes gebrauchtes 1,5 Lastauto gekauft, bis alles bei Johannes Hang leider aufhörte, da diese fast 108 Jahre alte Fa. in Konkurz ging. Danach wollte ich Taxe fahren (das war alles 1964) und ich habe dann noch die Prüfung für das Taxigewerbe gemacht und die Genehmigung für “Personenbeförderung” bekommen. Und dann bekam ich durch Vermittlung von Herrn Pfarrer Trombke die Stellung als Friedhofsverwalter in Rudow bei der dortigen Kirchengemeinde. Aber das wisst Ihr ja alles. Ich habe also viele Berufe in meinem Leben gehabt und immer wieder von vorne anfangen müssen. Ich habe eigentlich alles immer 7 Jahre gemacht: 7 Jahre Zackezin, 7 Jahre Glienig,7 Jahre Schrott und Schutt, 7 Jahre Friedhof-Rudow.

An meinem 40.Geburtstag war ein fürchterlicher Schneesturm, von welchem ich gleich noch erzählen will. Kurz nach meinem 50. Geb. bekam ich die schwere Lungenentzündung und lag 4 Monate im Auguste-Victoria-Krankenhaus. Der 60.Geburtstag war ein Arbeitstag, aber sonst normal. Am 70.Geburtstag lag ich im Oskar-Helene-Heim im Gipsbett. Der schönste Geburtstag war der 80. wo Ihr alle 4 hier gewesen seid! Ja. Der 40. Geburtstag. Die Winter auf dem Fläming waren immer sehr kalt und schneereich. Der Trecker mit Milchwaren war dauernd eingeschneit. Von allen Dörfern mussten alle Männer kommen und freischippen. Wenn die Räder vorn frei waren, waren sie hinten wieder im Schnee. Der Milchwagen kam erst nach Nachmittag bei der Molkerei an und war in der Nacht erst wieder zurück. Von Ort zu Ort musste er freigeschaufelt werden. So etwas habe ich selbst in Pommern nie erlebt. Hier habe ich nun mal versucht, in großen Zügen aus meinem Leben zu berichten.Die Anregung kam von Paul-Heinrich, im August 1986, als wir im Altmühltal waren und er meinte: wir sollten doch mal alles aufschreiben, für Euch, damit es festgehalten wird.

Nachtrag: Vati und ich hatten diesen Bericht fast bis Weihnachten fertig, ich habe nach seinen Angaben geschrieben. Nun konnte es Vati leider nicht mehr unterschreiben. Ich habe alles nochmal abgeschrieben, es war mir ein besonderes Anliegen, Vati’s Leben als Vermächtnis für Euch zu hinterlassen. Vati hat, vor allem körperlich, übermenschliches geleistet, und immer für uns alle gesorgt, wofür wir ihm immer sehr dankbar sind.

Im März 1987. Eure Mutti Birgitte Ewest